Galerie im Centre, Göttingen

Am 9. Dezember wäre die Galerie im Centre 60 Jahre alt geworden. Seit 1962 wurde das Centre, eine von Studierenden betriebenen Kneipe auf der ehemaligen Kegelbahn im Rosdorfer Weg 42 durch wechselnde Ausstellung zum künstlerisch-kulturellen Anziehungspunkt in Göttingen. Jede Ausstellung wurde mit Lesung, Konzert oder auch mal Marionettenspiel eröffnet, Gäste wie Joseph Beuys, Bazon Brock oder Franz Mon in Göttingen begrüßt.

Eine Recherche zum Kunstverein Göttingen und zu Beuys in Göttingen führte mich im Sommer 2021 zur Galerie im Centre. Im Januar diesen Jahres konnte eine Recherche-Website einen ersten Überblick über die Ausstellungen und Veranstaltungen der Galerie im Centre geben. Diese Seite konnte ich kürzlich um eine recht umfassende Materialsammlung zum Centre ergänzen, viele Einladungskarten haben sich im Stadtarchiv erhalten, Presseausschnitte wurden ebenfalls vom Kulturamt gesammelt, einige Centre-Gäste und Organisatoren haben mir freundlicherweise Texte zukommen lassen und Ihre Erinnerungen mitgeteilt. Doch die Recherche ist selbstverständlich noch nicht abgeschlossen – falls Ihnen weiteres zum Centre bekannt ist, Sie selbst Gast waren, sich an Ausstellungen erinnern … lassen Sie es mich gern wissen.

Recherche-Website
„Galerie im Centre, Göttingen, 1962-1971“
kulturmaps.de/centre

Pressearchiv : Iserlohn 2022 : Schändung muslimischer Grabstätten

In der Nacht vom 31. Dez. 2021 zum 1. Jan. 2022 wurden auf dem muslimischen Gräberfeld des Hauptfriedhofs Iserlohn (Märkischer Kreis, NRW) ca. 30 Grabstätten beschädigt, teilweise wurden sogar die Grabsteine zerbrochen.

Als Teil einer seit April 2020 laufenden Recherche zu Schändungen muslimischer Grabstätten habe ich am 3. Jan. 2022 eine Medienbeitragssammlung zum Fall Iserlohn begonnen. Alle Medienbeiträge, die ich zum Thema finden konnte, werden chronologisch aufgelistet und zumeist als .txt-Dateien archiviert. Ein Fokus liegt dabei auf online-Presseberichterstattung. Darin verlinkte Facebook- und Twitter-Beiträge werden ebenfalls archiviert, gelegentlich auch unter Einbezug der Kommentare.

Die Medienbeitragssammlung finden Sie fortan unter
freies-verlagshaus.de/schmugra/iserlohn


Sollten Einwände gegen eine Zurverfügungstellung eines dadurch archivierten Medienbeitrags (zwecks wiss. Rechercheprojekt) bestehen, äußern Sie dies bitte. Der entsprechende Verweis wird aus dem Web-Archiv entfernt. Auch Ergänzungen werden gern entgegen genommen.

Mazdaznan-Bibliografie im Aufbau

An dieser Stelle möchte ich kurz auf eines meiner aktuellen Projekte hinweisen, eine Zusammenstellung, eine Bibliografie aller Veröffentlichungen der Mazdaznan-Bewegung, einer neuen religiösen Bewegung, die in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts eine gewisse Verbreitung fand und so z.B. mit Johannes Itten und Georg Muche einen gewissen Einfluss auf den Alltag der Bauhaus-Studierenden hatte.

Die wohl verbreitetste Publikation des Mazdaznan-Verlags (bzw. der Verlage) war ein Kochbuch, gefolgt von Werken über Atem- und Heilkunde, schließlich auch einer größeren Anzahl von Werken des Gründers der Bewegung: Otoman Zaradusht Ha’nish.

Tiefergehend möchte ich die Bewegung hier nicht skizzieren, vielmehr soll die Bibliografie dazu einladen, sich genauer mit den Veröffentlichungen und Werken der Mazdaznan-Bewegung auseinanderzusetzen.


Mazdaznan

Mazdaznan-Bibliografie
freies-verlagshaus.de/mazdaznan


Doch noch eine Anmerkung: Die Bibliografie soll vor allem eine (religions)wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Mazdaznan verfolgen, sie ist kein Produkt einer eigenen Religiösität.

Das Iduna-Zentrum und seine Bedeutung für die zeitgenössische Radiolandschaft*

Ein Screenshot der ARD-Audiothek, Hörspiel: "Auf die Natur kann man nicht böse sein", SWR2, 3. Juli 2020.

Anfang Juli tauchte das Iduna-Zentrum, Göttingen, bundesweit in vielen Medien auf, ein seitenfüllender Bericht fand gar auf Seite 3 der Zeit (Datum). Nach mehreren Covid19-Infektionen wurde das Haus, in den 70ern maßgeblich für Studierende errichtet (der strahlendneuen Zentralcampus war über eine Füßgängerinnenbrücke zu erreichen), wurde dieser „soziale Brennpunkt“ symbolhaftes Ziel von rassistischen, antomuslimischen Anfeindungen in Kommentarspalten sozialer Netzwerke.

Dazu möchte ich mich hier gar nicht äußern (eine Linksammlung folgt vielleicht mal), ich habe es an anderer Stelle schon ausreichend getan!

Hier ist jedoch Platz für eine kleine Randnotiz, eigentlich nicht allzu wichtig, nicht unbedingt erwähnenswert, bestimmt eher uninteressant – ja, es gibt doch wirklich wichtigeres!

Gerade habe ich zufällig festgestellt, dass ein nicht allzu altes Hörspiel am 3. Juli vom SWR2 in die ARD-Audiothek geladen wurde. Ein Soldat springt vom Dach eines Hochhauses, anschließend werden seine sozialen Beziehungen, seine Familie, aber auch sein vergangener Kriegseinsatz beleuchtet – was hat zu seinem Suizid geführt?

Anfang Juli, Hörspiel, Hochhaus, Polizeieinsatz. Na! Nehmen wir doch einfach das Iduna-Zentrum; idealtypisches Hochhaus im plattenbauähnlichen Funktionalismus der 70er, bisschen schäbig, peekig, so stellen wir uns das vor. Hochgenug für einen Suizid allemal (wenn auch das Dach nicht betretbar ist). Wunderbar. Und, ach wie passend: Bilder von Polizeiwagen („Wannen“) vor dem Hause gibt es zu großen Mengen; oh, sogar im Bildarchiv der ARD (die tagesschau berichtete mehrfach!). Vielleicht erkennen Audiotheksstöberinnen ja sogar zufällig gerade das Gebäude wieder und hören ins Hörspiel rein …

Schwuppdiwupp, da dient das Iduna-Zentrum als Symbolbild für ein Hörspiel von 2019; ganz ohne Corona, ganz ohne Ausgangsbeschränkungen und – zum Glück – ohne antimuslimischen Rassismus und rassistische Stereotype zu bedienen.


Auf die Natur kann man nicht böse sein, Regie: Steffen Moratz, HR/MDR 2019, ARD-Audiothek (SWR2, 3. Juli 2020).


* Diesen schön-abwegigen Titel kannst Du gern durch „Notiz zum Iduna-Zentrum in der ARD-Audiothek“ ersetzen, klingt irgendwie nur weniger hochtrabend 😉

Ein Gang durch die Außenstadt Göttingens

2013/2014 habe ich einen kleinen Stadtführer der Göttinger Verkehrscentrale gekauft, 1926/1927 verlegt, dünes Papier im Inneren, geheftet mit einem zeittypisches günstigen gelben, zum Brechen tendierenden Papierumschlag. Ohne Seitennummerierungen finden sich zahlreiche Spaziergangsbeschreibungen neben unzähligen Werbeanzeigen.

Zur aktuellen Diskussion um das Südafrika-Denkmal (Geismar Landstr / Friedländer Weg) möchte ich einfach mal spontan einen entsprechenden Spaziergang beitragen — ohne jeglichen politischen Hintergrund, lediglich um eine zeitgenössische Beschreibung des Denkmals, seiner Umgebung, nein von der historischen Gestaltung des Stadtraums Göttingens lesen zu können.

« Ein Gang durch die Außenstadt (1,5 Stunde).
Unter Außenstadt verstehen wir die Staßenzüge außerhalb des Walles, und durch die bemerkenswertesten derselben wollen wir heute eine kleine Wanderung unternehmen. Wieder vom Bahnhof ausgehend, verfolgen wir die Bahnhofsstraße rechts hinunter an der Anatomie, Zoolog.-, Geolog.-, Mineralog-Inistitut, und der Tierarzneischule vorbei, überschreiten dann die Groner Landstraße und biegen gegenüber den Anlagen am Anfang des Rosdorfer Weges in die Bürgerstraße ein. Wir gehen an der Front der verschiedenen Gebäude vorüber, auf die wir schon beim Wallspaziergang herabblickten. Neu ist uns das am Eingang der Wiesenstraße rechter Hand liegende Volkshaus. Oberhalb der Volksschule und der Turnhalle biegen wir in die Bunsenstraße ein, an der das «Institut für angewandte Elektrizitätslehre» und das «Physikalische Institut» ihren Platz haben. Wir gehen nun in die Böttingerstraße rechts hinunter und betrachten die beiden Gebäude an der rechten Seite, die am Leinekanal stehende «Univ.-Modell-Versuchsanstalt», wo der Rotor konstruiert wurde, gehen dann die Böttingerstraße hinauf, überschreiten die Lotzestraße, deren Ecke die «Kaiser Wilhelm II.-Realsschule» einnimmt, und gehen durch den Walkemühlenweg hinauf bis zur Reinhäuser Landstraße, wo rechterhand das seit einem Säkulum bekannte Konzerthaus «Deutscher Garten» sich befindet. Zum Tore zu gelangen wir an den Exerzierplatz vor der alten Kaserne, den wir überschreiten, um unseren Weg auf der Geismar-Landstraße, oberhalb des Kasernenplatzes fortzusetzen. Dem Kasernenpkatz gegenüber am Anfang der Reinhäuser Landstraße vorn rechts und links haben wir das «Finanzamt», nach dem Überschreiten des Kasernenplatzes erblicken wir nach wenigen Schritten die «Sternwarte». Im oberen Teil der Geismar-Landstraße fällt unser Blick rechts auf die «Neuen Kasernen», ganz oben links auf die «Städtischen Kasernen». Vor letzterem mündet der Friedländer Weg auf die Geismar-Lanstraße, die sich hier zu einem kleinen Platz erweitert. Mitten auf demselben ist von den Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften des bis 1918 hier stehenden II. Kurhessischen Infanterieregiment 82 den in Südwestafruka gefallenen Regimentskameraden ein Gedenkstein errichtet worden. Der schon erwähnte Friedländer Weg bildet jetzt die Fortsetzung unserer Wanderung. Von rechts und links münden in unseren Weg schön angelegte Villenstraßen. Gleich rechts an der Ecke des „Weißen Stein“ das neue Haus der «Unitas». Auf der rechten Seite oberhalb der Einmündung der Bergstraße ziert ihn der neue streng Schulhygienische Bau der höheren Töchterschule, des Ober-Lyceum, verbunden mit Studienanstalt. Der Friedländerweg duchschneidet dann den Hainholzweg und mündet kurz darauf in die Herzberger Landstraße. An dieser Stelle steht das schöne Haus der Turnerschaft «Gottinga». Auf der Herzberger Landstraße gehen wir links herunter vorbei an den neu errichteten Haus der Akademischen Landwirtschaftl. Verbindung «Agronomiea» und dem Stadtparkgarten und rechts den Burschenschaftshäusern der «Hannovera» und «Alemania» bis zur Bühlstraße, der Fortsetzung unseres Weges. Die Bühlstraße führt uns, rechts einbiegend, oberhalb des Gymnasiums und des Stadttheaters vorbei bis zum Kirchweg, der in gleicher Richtung weiterläuft. Rechs diesen hianufgehend, gewahren wir rechts die Privatkliniekn «Neu-Bethlehem», «Neu-Mariahilf», die Privatfrauenklinik von Dr. Redekmann und die Universitätskinderklinik, auf der anderen Seite zurückgehend, die Universitätsfrauenklinik, die chirurgische und die medizinische Klinik; zwischen den beiden letzteren führt uns der Klinikenweg hinunter an den Ökonomie- und Verwaltungsgebäuden, sowie dem Pathologischen Institut vorbei zur Goßlerstraße. Diese gehen wir rechts hinauf an der Augenklinik vorbei bis zum Landwirtschaftlcih-bakteriologischen Institut, wo wir links in den Kreuzbergweg einbiegen, der uns zur Weender Landstraße hinunterführt. Gegenüber dem Kreuzbergweg mündet in die Weender Landstraße der Güterzufuhrweg ein, an dem unten der Güterbahnhof liegt. Wir wandern indessen die Weender Landstraße hinauf der Stadt zu. Das rote Haus Nr. 26 merken wir uns als Domizil der Gauß-Weberloge. Gegenüber auf dem alten Friedhof, wo Göttingens Altvordere ruhen, erhebt sich auf schlichtem Steinsockel die Büste Gottfried August Bürgers. Den Anfang der Landstraße bildet beiderseits eine von Wegen durchkreuzte, mit uralten Kastanien bestandene Rasenfläche, das Kastanienwäldchen. Am Eingang der Weenderstraße links das Auditorium. Wir durchqueren den rechtsliegenden Teil des Wäldchens und lenken unsere Schritte die Bahnhofsstraße hinunter an der Fassade des Eichamtes und der Reichsbank vorbei, sodann am Elektrizitätswerk und dem Reichspostamt II vorüber zum Bauhnhofsgebäude hin. », K. von Hohenhagen, 1926/1927.

Über den Autoren, K. von Hohenhagen, liegen mir keine Informationen vor. Dir?

Zum Südwestafrika-Denkmal in Göttingen

Einleitung & erstes Statement
Links zu Geschichte & Wandel
Aktuelles Fotos
Tweets seit Juni 2020
Texte der Hinweisschilder



Seit dem Mord an George Floyd werden immer mehr Stimmen gegen aktuell präsenten Rassismus und Spuren des Kolonialismus erhoben; so auch zum Glück in Göttingen. Die großen »Black Live Matters«-Demonstrationen des recht jungen BiPoC-Kollektivs sind dafür ein schöner, lauter und eindrücklicher Ausdruck!

Auch werden immer mehr Forderungen nach einer vertieften Auseinandersetzung mit Verstrickungen der Stadt Göttingen, ihrer Uni und ihrer Kasernen im Kolonialismus gestellt. An dieser Stelle sei auf ein universitäres Rechercheprojekt unter der Leitung von Rebekka Habermas verwiesen: goettingenkolonial.uni-goettingen.de. (erg. 11.5.21)

Vor allem wird auch über das »Südwestafrika«-Denkmal diskutiert [ebenso über die fortdauernden Ehrungen von Blumenbach, (erg. 11.5.21)]. An der Ecke Geismar Landstraße — Friedländer Weg steht zurückversetzt und zugewuchert ein erhöhter Stumpf mit einer eingelassenen Platte, die durch eine Plexiglasscheibe geschützt wird (wodurch ihr Inhalt (zum Glück?) kaum mehr zu lesen ist). Davor, unmittelbar hinter einem niedrigen, verrosteten und grün-lebendigen Zaun, steht eine Infotafel, die nach einer Initiative des Antikolonialistischen Bündnisses (2006: eigene Tafel aufgestellt, danach von Stadt entfernt) im Jahr 2007 von der Stadt aufgestellt wurde.

Dieses »Südwestafrika«-Denkmal steht unweit der ca. 1884 errichteten Städtischen Kaserne (nach 1933: Lüttich-Kaserne), deren Gebäude 1955 von der Gothaer aufgekauft, nahezu vollkommen im Stile der Zeit »modernisiert« und im Frühjahr diesen Jahren zu großen Teilen abgerissen wurde (siehe Beitrag vom 4. Juli). Die Geschichte: a) Vier Soldaten des 82. Infanterie-Regiments starben bei der Niederschlagung eines Aufstandes von Einheimischen in der deutschen Kolonie »Deutsch-Südwestafrika«. b) Bei einem blutigen Genozid an Menschen der Nama und Herero in einem Gebiet, das vom Deutschen Kaiserreich als Eigentum erachtet wurde und nach erreichter Unabhängigkeit zum Staat Namibia wurde, starben auf der einen Seite ca. 10.000 Nama und 40.000 – 60.000 Herero, auf der anderen Seite etliche deutsche Soldaten, u.a. jene vier in Göttingen stationierte (genauere Recherchen meinerseits folgen, insb. Belege). Ihnen zur Ehre wurde ein Denkmal errichtet — gemäß Verständnis a. Gemäß Verständnis b wäre es hingegen endlich mal an der Zeit – auch in Göttingen – ein Denkmal zur Erinnerung an den Genozid an den Herero und Nama, gegen Kolonialismus und Rassismus zu errichten.

Ich unterstütze die Forderung, ein solches Denkmal gegen Kolonialismus und Rassismus einzurichten, stehe jedoch einem ersatzlosen Abriss des »Südwestafrika«-Denkmals kritisch gegenüber. Vielmehr wünsche ich mir eine deutlich komplexere Information über den Genozid, deutschen Kolonialismus und die Geschichte des Denkmals vor Ort. Ein beibehalten des Steinsockels würde ich sehr begrüßen, denn nichts kann eindrücklicher das Wachsen eines postkolonialistischen Denkens verdeutlichen, als ein im Laufe von über 100 Jahren immer weiter mutwillig beschädigtem und mutwillig instandgesetztem Denkmal. Der finale Schritt des vollständigen Abtragens wäre in der Abfolge der Beschädigungen zwar das Konsequenteste, doch sind gewisse steinerne Zeugnisse und ein reflektierter, informierender Umgang mit ihnen eindrücklicher und anschaulicher als ein neu errichtetes Denkmal. Und wenn nun eine Friedenstaube ist, wie sie Kuno Mahnkopf im GT beschreibt, auf dem Denkmal sitzt und sich sichtlich freut, zum Beispiel über die Beschädigungen an der Tafel und die bunten Farbtupfern …

Meine Ideen, werde ich hoffentlich bald mal aufschreiben können (wie wäre es mit einer open-Air-Ausstellung auf der Rückseite des Denkmals – als unmittelbarer Anwohner kann ich sagen, dass dort ziemlich häufig langgegangen wird (zwecks kruder Ampelanlage). Dort könnten mehrere Informationstafeln eingerichtet werden; oder für diese wird der gesamte Platz umgestaltet – was mir jedoch den Charm eines verwilderten, ollen Klotzes zerstören würde).


Spray-Aktion im Juli 2020


Und in der Zwischenzeit: Es geschah wenig, Stimmen wurden kurz laut, doch keine Worte gewechselt; Äußerungen oder Initiativen seitens der Stadt blieben aus. Eventuell aufgrund des ausbleibenden vertieften Diskurses wurde des Denkmal kurzerhand am 8. September von einer Aktionsgruppe durch ein weißes Tuch mit roter Aufschrift „Rassismus abreißen – Göttingen dekolonisieren“ verdeckt. Zusätzlich wurde über das von der Stadt aufgestellte Hinweisschild ein neuer Text mit Kabelbinder befestigt. Diese recht künstlerische Installation wurde jedoch kommentarlos (vermutlich am selben Tag/vom Ordnungsamt?/Grünflächenamt?) entfernt. Doch wurden etliche Bilder der Installation publiziert, unteranderem auf Imago (spfimages) und von Michael Brakemeier (GT) auf Twitter. (ergänzt am 18. September 2020)

» Unbekannte haben das Süd-West-Afrika-Denkmal in #Göttingen verhüllt: „#Rassismus abreißen, Göttingen dekolonisieren“. #Kolonialismus #BlackLivesMatter «

Michael Brakemeier (@soulmib), twitter, 8. Sept. 2020


In der Zwischenzeit wurde das Denkmal ein weiteres Mal besprayt. Auf der historischen Tafel findet sich nunmehr in schwarzer Farbe ein 161 nebst Hammer und Sichel, das neuere, städtische Hinweisschild (s.u.) wurde übersprüht und unleserlich gemacht. Es bleibt ein Steinsockel ohne Aussage, doch auch ohne Erinnerung an die Taten deutscher Kolonialsoldaten, ohne eine Erinnerung an die Unterdrückung, das Morden, an den Genozid an Nama und Herero. Wieso wird die neuere Tafel unleserlich gemacht und somit weder modernisiert, noch ergänzt (wie es die vorherige Aktion Anfang des Monats temporäer unternommen hat). (aufgefallen und notiert am Abend des 30. September 2020) [auch der Stadt Göttingen fiel die Schwarze Schmiererei am 30. Sept. 2020 auf, am 1. Okt. wurde Strafanzeige gestellt; ergänzt am 11. Mai 2021]


In der Zwischenzeit wurde die schwarze Farbe auf Denkmal und Tafel entfernt [am 24. März 2021; erg. 11.5.], stattdessen findet sich nun mittlerweile eine rosa-pinke »161« auf dem Denkmal, vor allem auf der Plexiglasscheibe über der historischen Tafel, aber auch auf Sockel an sich. Auf der Seitenwand der Sockel finden sich weitere kryptische Buchstaben; mutmaßlich AFA. Die kritische Tafel vor dem Sockel wurde dieses Mal hingegen nicht beschädigt. (aufgefallen am Abend des 4. Mai 2021; ergänzt am 5. Mai, erweitert am 11. Mai 2021)


Bis meine Gedanken zum Denkmal folgen, möchte ich hier ein paar Links und Notizen zum »Südwestafrika«-Denkmal zusammentragen, halbwegs chronologisch …

allg.: Informationen auf der Denkmal-Seite der Stadt Göttingen (vermutlich von 2007). Mit Chronik.

10.09.2020:
Unbekannte verhüllen West-Afrika-Denkmal in Göttingen mit weißem Stoff, Anja Würfel, Stadtradio Göttingen.

08.09.2020: Göttinger Denkmal verhüllt – Vorwurf: Rassistisches Monument, Michael Brakemeier, Göttinger Tageblatt.

25.08.2020: Noch zeitgemäß? Die Debatte um das Blumenbach-Institut und das Südwestafrika-Denkmal, Dominic Steneberg, Stadtradio Göttingen.

10.07.2020: Kolonialzeit und Rassismus – Kritik an Göttinger Gelehrten und ein Denkmal, GT.

01.07.2020: Göttingen dekolonisieren – weg mit dem Südwestafrika-Denkmal. Ausführliche Argumentation der Fachgruppe/Basisgruppe Geschichte, Uni Göttingen.

01.07.2020: Fotos von Klaus Peter Wittmann, u.a. auch historische Aufnahmen.

30.06.2020: Zersägt, zertrümmert und ergänzt – das Südwestafrika-Denkmal, Kuno Mahnkopf. Göttinger Tageblatt. (als .pdf beim Geschichtsverein)

21.03.2018: Geschichtsstudierende organisieren Ausstellung „Göttingen – eine Kolonialmetropole?“, Lina Küther. Stadtradio. (mit Audio)

xx.10.2017: Wahrnehmungen schärfen! – Vorschläge zum Umgang mit dem kolonialen Erbe des Kaiserreiches, Christoph Ludszuweit. Graswurzelrevolution. (Nennung u. Kontextisierung, Beschädigung 1972)

xx.xx.2012: David Meiser: Das Südwestafrika-Denkmal, in: Michael Sauer: Denkmäler in Göttingen. Handreichungen für den Geschichtsunterricht. Universitätsverlag Göttingen, 2012. S. 37-44.

31.10.2008: Spätes Bekenntnis eines Denkmalstürmers, Jürgen Gückel, Göttinger Tageblatt.

xx.xx.2007: Recherche auf goest.de (ausführlich, aktualisiert, mit Fotos und Dokumenten).

18.04.2007: Beitrag auf Indymedia zur Tafelenthüllung und Beobachtung durch den Staatsschutz Göttingen (aufgegriffen von der BG Geschichte, s.o.)

29.01.2007: Andauernde Auseinandersetzungen um das Kolonialkriegerdenkmal in Göttingen – Eine Chronik, Joachim Zeller. (Ausführliche, bebilderte Recherche)

o.J: (Post-)Koloniale Monumente. Denkmalinitiativen erinnern an die imperiale Übersee-Expansion Deutschlands, Joachim Zeller. (Kontextualisierung)

o.J: Ein kolonialer Adler wird zum Anti-Kolonialdenkmal, Hendrik Resen. Namibiweb.

Weiteres folgt zeitnah …



folgt



Tweets zu den Ereignissen

https://platform.twitter.com/widgets.js



8. September 2020, Aktionsgruppe

Bei der gewaltvollen Niederschlagung des Aufstandes gegen die Deutsche Kolonialherrschaft kamen 1904, Schätzungen zufolge, zwischen 60.000 und 80.000 Herero und Nama ums Leben. Aus dem in Göttingen stationierten 2. Kurhessischen Infanterie-Regiment Nr. 82 meldeten sich rund 100 Soldaten freiwillig für den Einsatz in Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, von denen 42 für den Krieg rekrutiert wurden.
Dieses Denkmal ehrt den Einsatz der vier bei den Kampfhandlungen gestorbenen Göttinger Soldaten und glorifiziert damit einen Krieg, der inzwischen offiziell als Genozid anerkannt ist.
Die Stadt Göttingen verweigert sich den seit den 1970er Jahren bestehenden Forderungen nach der Umwidmung oder Entfernung dieses rassistischen Monuments nachzugehen und sich mit den kolonialen Verstrickungen ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen. Das werden wir nicht länger tolerieren.
Tear down this shit! Stop racism! Göttingen dekolonisieren!


18. April 2007, Stadt Göttingen

Das Denkmal wurde 1910 errichtet für die Angehörigen der „Schutztruppe“ in der damaligen deutschen Kolonie Deutsch Südwestafrika (heute Namibia), die während das Krieges gegen die Herero und Nama (1904-1908) umkamen. In diesen, von Seiten des Deutschen Reiches mit großer Rücksichtslosigkeit geführten Kämpfen fanden tausende Angehörige beider afrikanischer Völker den Tod. Der Krieg gegen die Herero und Nama gilt als eines der größten Verbrechen der deutschen Kolonialgeschichte.
Das Denkmal bestand ursprünglich aus einem Steinsockel mit Widmungsplatte, der 1913 durch einen bronzenen Adler ergänzt wurde. Der Adler wurde 1978 entwendet, in Einzelteile zerlegt und der Kopf zugunsten der Zimbawe Africa National Union (Zanu) versteigert. 1999 wurde der Adlerkopf der Universität von Nambia übergeben, wo er zur Erinnerung an die Kolonialkriege und die Unterdrückung der Völker Afrikas und ihren Widerstand ausgestellt wird.


Januar 2006, Göttinger Antikolonialbündnis

Die deutsche Kolonialgeschichte ist eine blutige Geschichte. In allen Ländern, / die Deutschland als „Schutzgebiete“ für sich beanspruchte, wurde die / einheimische Bevölkerung brutal ausgebeutet und unterdrückt. / Als sich 1904 in „Deutschsüdwestafrika“ – dem heutigen Namibia – die / Herero und Nama gegen die Besatzer zu wehren begannen, reagierte die deutsche / Kolonialarmee mit einem Völkermord. Von 80.000 Herero überlebten nur 16.000. / Von 20.000 Nama wurden mehr als die Hälfte umgebracht.
Wir Göttingerinnen und Göttinger / gedenken der Menschen, die von den deutschen / Kolonialtruppen ermordet wurden.
Wir fordern die Bundesrepublik Deutschland auf, / endlich ihre Verantwortung anzuerkennen und / Entschädigung an die Nachkommen der Opfer zu zahlen.
Mit dem Denkmal, vor dem diese Tafel steht, hält / die Stadt Göttingen bis heute das ehrende Geden-/ken an Massenmörder aufrecht. Seit 1910 erinnert / es „in Dankbarkeit und Treue“ an gefallene deut-/sche Soldaten, die am Genozid an den Herero und / Nama in „Deutschsüdwestafrika“ beteiligt waren. / 1978 holten Mitglieder des Kommunistischen Bun-/des Westdeutschland in einer anti-kolonialen Aktion // den auf dem thronenden Bronze-Adler / von seinem Sockel. Die ebenfalls entwendete Ge-/denktafel ließ die Stadt neu anfertigen / und wieder anbringen – mit dem Originalwortlaut. / Bis heute weigert sich die Stadt das Denkmal mit / einer neuen Tafel zu versehen und es umzuwidmen / zu einem Mahnmal für die Opfer des deutschen / Kolonialismus.


1978, Stadt Göttingen

Für Kaiser und Reich / starben in Südwest-/afrika 1904-1906 vom / Infanterie-Regt. Nr. 82
Sergt. Gross 12. Komp.
Gefr. Rossplech 3. Komp.
Gefr. Schäfer 3. Komp.
Reiter Burghardt 2. Komp.
Zur bleibenden / Erinnerung gewidmet / in Dankbarkeit und Treue / von den Offizieren / Unteroffizieren / und Mannschaften / des 2. Kurh. Infan-/terie-Regts. Nr. 82. / Der Bronzeadler / und die Gedenkplatte / sind am 7. 4. 1978 / von Unbekannten / gestohlen worden.

Ich veröffentliche an dieser Stelle diesen Text, auch wenn ich die Wiederherstellung der Gedenktafel ohne eine eindeutige Benennung des Genozids stark kritisiere. (ergänzt am 18. September 2020)

https://platform.twitter.com/widgets.js

Arthur Rundt: Hinter den Kulissen des Radio

rundt_hinter_den_kulissen_des_radio

Ich bin mir leider nicht sicher, aus welchem Jahr der folgende Beitrag stammt, vermutlich irgendwann zwischen 1920 und 1930. Wo ich mir ziemlich sicher bin, ist der Erscheinungsort: In den Velhagen & Klassings Monatsheften, von welchen ich in einem Braunschweiger Antiquariat im Sommer letzten Jahres eine Loseblattsammlung kaufen konnte.

Auch wenn nun also noch keine genauere Angabe möglich ist, möchte ich hier einen kurzen Text Arthus Rundts veröffentlichen, den ich schon abzuschreiben begonnen habe, ehe ich ihn zuende gelesen habe.

Arthur Rundt
Hinter den Kulissen des Radio

Man sollte meinen, daß das Radio keine Kulissen hat, weil es nicht aufs Auge wirkt, also auch keine Begrenzung eines Bildes braucht, keinen geheimnisvollen Raum, in dem der Akteur verschwindet, wenn er aufhört, sichtbar zu sein.

Aber gerade weil der Akteur beim Radio unsichtbar ist, gibt es den ungenierten und geheimnisvollen Raum „hinter den Kulissen“. Es gibt die Bühne vor dem Aufnahmeapparat, doppelt geheimnisvoll, weil sie als Ganzes von vornherein dazu bestimmt ist, dem Hörer nie sichtbar zu sein.

Wilhelm Tell tritt in Hemdsärmeln auf. Er hat auch Krawatte und Kragen abgenommen und – um der bequemeren Stimmentfaltung halber – den obersten Knopf des Hemds geöffnet. Er denkt gar nicht daran, die Hornbrille abzunehmen und eine Weitsichtigkeit zu verbergen; er braucht das Augenglas, da er die oft gespielte Rolle hier im Radio ja abliest.

Wie denn? Es stehen also Wilhelm Tell und alle anderen vor dem Aufnahmeapparat, die Hände in den Hosentaschen, völlig unbewegt, rufen die tönenden Worte nach der kleinen Fläche hin, die sie aufnimmt, sind nur in der Tongebung bedrückt, freiheitsdurstig und aufgeregt und sind es in ihren Bewegungen gar nicht? Nein, so ist es nicht. Und weil es anders ist, sehe ich, mein Vergnügen am Zuschauen verbergend, manchmal so gern eine Stunde der Radiobühne zu.

Der Schauspieler, der fürs Radio spielt, kommt doch fast immer vom Theater. Deshalb ist er gewöhnt, seinen Körper im Sinne der Handlung zu bewegen sein Wort mit Gesten zu begleiten. Bewegung und Geste sind hier im Radio völlig überflüssig. Aber er kann es nicht lassen. Er kann nicht nur fürs Ohr aufgeregt sein, er muß „spielen“; die Hand bleibt nicht in der Hosentasche. Der hemdsärmelige, kragenlose Tell mit der Brille auf der Nase fuchtelt vor dem Aufnahmeapparat, den es doch gar nicht interessiert, gewaltig mit den Armen. Er benimmt sich wie etwa auf einer Probe fürs Theater. Er kann nicht anders. Oder besser gesagt: er kann noch nicht anders.

Wahrscheinlich wächst eine Generation von Radio-Spielern heran, die alle Kraft und Intensität auf das konzentriert, was im Radio wirklich wirkt. Der Radio-Spieler ist erst im Beginn des Weges, der zu diesem Zustand führt.

Was im Radio wirkt, ist nicht etwa nur das Akustische. Eine Rütli-Szene, bei der Solisten und Komparserie auf einem Haufen stillständen, wäre für den Hörer tödlich langweilig, so eifrig sich die Schauspieler auch stimmlich bemühten. Denn im Radio ist „Bewegung“ in dem Sinne sehr wohl bemerkbar, daß Melchthal, Stauffacher, Winkelried, der Pfarrer, der Jäger, der Fischer und alle anderen in der Rütli-Szene kommen und gehen müssen, aus dem Hintergrunde reden und vorn „an der Rampe“, daß Rufe aus dem Gedränge zu kommen haben und anders vom erhöhten Platz zu sprechen ist. Nur das Gefuchtelt mit den Armen ist nicht vonnöten, der Mondregenbogen ist entbehrlich, das Feuer in der Mitte des Platzes und die Windlichter der Landleute.

Daneben gibt es macherlei, wovon es noch nicht ganz klar ist, ob es „gemacht“ werden muss oder entbehrlich sein. Das sind dann die Fälle, in denen es Streit geben wird zwischen dem Regisseur und dem Schauspieler, aber weniger heftigen Streit als beim Theater, weil ja der Schauspieler, wenn er „verzichtet“, auf eine weniger schmerzliche Art verzichtet als beim Theater.

Das Rütli war, als ich den „Wilhelm Tell“ auf der Radiobühne „sah“, ein Ducheinander von Podien und Holzstufen, Zivilisten polterten hinauf und hinunter, schlichen vorsichtig heran, begrüßten einander lebhaft, kurz: sie waren auf eine höchst absonderliche Art bedrückt und freiheitsdurstig. Einige hielten, als sie zwischen den Podien heranschlichen, die Hände hoch, als trügen sie, wie es beim Theater unerlässlich ist, die Fackeln und Windlichter. Aber sie trugen keine.

Der Geißler gar kam – weiß Gott warum? – mit einer Reitgerte zur Tell-Schluß-Szene; fehlte nur, daß er nach Schillers Vorschrift den Jagdfalken auf der Faust hielt.

Und Gertrud legte dem lieben Herrn und Ehewirt Stauffacher zärtlich den Arm auf die Schulter, als sie ihn fragte: „So ernst, mein Freund? Ich kenne dich nicht mehr …“ – Weile es eine besonders gescheite Frau war, die die Gertrud spielte, fragte ich sie nachher: „Warum haben Sie eigentlich – ganz überflüssigerweise – dem Stauffacher den Arm auf die Schulter gelegt?“ Sie war kein Augenblick verlegen: „Ich kenne den X., der den Stauffacher spielt. Ich weiß, er braucht das. Ich hab’s nicht etwa meinetwegen getan oder unabsichtlich. Er, der X., braucht es, es hilft ihm.“

Die Stauffacher-Spieler, die heute noch in den Theaterschulen sitzen, werden es nicht mehr „brauchen“. Sie werden sich, beim Radio heranwachsend, ihre eigene Technik ausbauen, ohne Armfuchteln; sie werden alle Intensität der Radio-Wirkung geben, ohne auf Unwirksames Kraft zu verschwenden.

Der Radio-Spieler ist noch im Anfange seines Weges.

Dr. Arthur Rundt.

 

Nun mal den Versuch einer kleinen Erkundung des Textes.

Beginnen wir mit dem Autor: Arthur Rundt wurde 1881 in Katowice im heutigen Polen geboren und verstarb 1939 in New York. In den Jahren dazwischen studierte er Philosophie und Jura und schloss es 1904 mit einer Promotion ab. Daraufhin fand er seinen Weg zum Theater, war Schauspieler am Berliner Deutschen Theater, wo er ab 1908 auch Regie führte. 1909 ging er nach Wien und widmete seine Zeit dem Verein Wiener Freie Volksbühne. In Wien war er in gleichen Kreisen mit Musil aktiv. Ab 1928 erschien sein Fortsetzungsroman Marylin, welcher erst nach knapp 90 Jahren in der Edition Atelier in Buchform erschien und in welchem er seine Erfahrungen, die er seit 1924 durch Reisen in die USA und nach Kanada sammeln konnte, verarbeitete. Da Rundt vor bald 80 Jahren verstarb, kann dieser kurze Text von ihm hier doch gern passenderweise eine größere Aufmerksamkeit erlangen. (vgl. wikipedia.org)

Arthur Rundt war offenbar bei einer Hörspielaufzeichnung von Schillers Wilhelm Tell anwesend und dabei ziemlich angetan, von dem Schauspiel, dass er geboten bekam. In der Hörspieldatenbank der ARD stoßen wir auf eine aufzeichnungslosen Livesendung des Tells aus dem Jahre 1925. Von der Nordischen Rundfunk AG wurde unter Regie Hermann Beyers der Wilhelm Tell in einer Bearbeitung Hans Bodenstedts am 10. November 1925 gesendet – 42 Radiospielerinnen und Radiospieler waren daran beteiligt. Auch wenn Rundt keine Angabe dazu macht, kann es gut möglich sein, dass er bei eben dieser Sendung anwesend war – über weitere Sendungen bin ich noch nicht gestolpert.

Der Text Rundts ermöglicht einen Einblick in die Produktion einer Sendung aus den Anfangsjahren des Radio. Rundt zeigt aber auch, dass es aus diesen Kinderschuhen herauswachsen wird: Der Radio-Spieler ist noch im Anfange seines Weges. Ich hatte bislang noch nicht die Möglichkeit, eine Hörspielaufzeichnung zu begleiten, kann mir jedoch gut vorstellen, dass heute keine Menschen mehr über Podien eilen und schleichen, um den räumlichen Klang einer Bühne nachzubilden.

(weitere Ausführung folgt)

Kosten der 1950er Jahre

In diesem Artikel werde ich nach und nach verschiedene Kosten aus Rechnungen der 1950er Jahre veröffentlichen. Der Beitrag wird daher gelegentlich erweitert.

1 Batterie – DM -,80 – (6.12.56)
1 Besen – DM 2,75 – (31.8.56)
1 Piassava-Besen – DM 1,45 – (19.5.56)
12 Bleistifte – DM 2,40 – (1.9.56, 4.9.56)
6 Kopier(blei)stifte – DM 3,- – (1.9.56, 4.9.56)
20 rm Buchen-Brennholz – DM 165,08 – (22.6.56)
1 Ztr  Kohlen-Briketts – DM 3,207 – (16.6.56)
1 Buch – DM 2,50 – (14.2.56)

1 Flasche – DM -,20 – (30.8.56)

1 Geldbeutel – DM 3,45 – (31.8.56)
1 Glasdeckel von Bahlsen – DM 2,75 – (15.3.56)
4 Glühbirnen – DM 3,50 – (10.9.56)
1 Glühbirne 24 Volt, 40 Watt – DM 1,30 – (8.6.56)
1 Glühlampe – DM 1,- – (28.12.56)

1 Handtuch – DM 1,68 – (23.3.56)
1 Heftmaschine – DM 5,40 – (18.1.56)
Heftklammern – DM -,80 – (18.1.56)

Inspektion (ohne Materialkosten) Borgward B 1500 D – DM 18,- – (18.4.56)

1 Herrenberufskittel – DM 20,40 – (1.10.56)
1 Kittel – DM 20,85 – (4.1.56)
1 Kittelschürze – DM 12,65 – (4.1.56)
1 Brötchen-Korb – DM 25,- – (5.9.56)
1 Kranz (Beisetzung) – DM 3,- – (14.8.56)
1 Kugelschreiber – DM 3,75 – (15.10.56)

1 Glas Leim – DM 2,20 – (9.1.56)

1 Fl Maggi Nr 6 – DM 7,80 – (2.8.56)
50 Maggi Rindsbouillon – DM 8,35 – (2.8.56)
30 Maggi Rindfleischsuppe 4 T. – DM 12,50 – (24.2.56)
1 Miene – DM -,75 – (1.9.56)

1 L Maschinenöl – DM 1,40 – (19.1.55)
1 Ordner – DM 1,80 – (18.1.56)

1 Pinsel – DM 1,50 – (15.8.56)
1 kg Pril – DM 4,90 – (23.3.56)

1 Schale – DM 4,45 – (31.8.56)
1 Scharnier mit Schraube – DM -,95 – (6.1.56)
2 Scheuertücher – DM 2,20 – (10.9.56)
1 Stellenangebotsanzeige in Fachzeitschrift, 23 mm Höhe – DM 14,80 – (24.8.56)
1 Schlüssel für Registrierkasse – DM -,60 – (24.2.56)
Schornsteinreinigung – DM 5,80 – (27.11.56)
1 Holzschraube – DM -,02 – (6.1.56)
Stundenlohn Arbeiter – DM 2,85 – (23.5.56)
Stundenlohn Maurer – DM 3,25 – (23.5.56)
Stundenlohn Zimmergeselle – DM 3,25 – (18.12.56)
Stundenlohn Lehrling – DM 2,06 – (18.12.56)

1 Kuchenteller – DM 5,90 – (7.6.56)
1 Kuchenteller – DM 5,20 – (29.12.56)
1 Kuchenteller – DM 1,25 – (7.8.56)
1 Tulpe – DM -,50 – (1.3.56)

Waschservice von Berufswäsche – DM 8,45 – (4.9.56)

1 Sack Zement – DM 4,50 – (23.5.56)
1 kg Zwiebeln  – DM 0,46 – (25.9.56)

Backwaren
Graubrot 1,5 kg – DM 0,98 – (31.12.56)
Graubrot 2 kg – DM 1,30 – (31.12.56)
Graubrot 3 kg – DM 1,95 – (31.12.56)
Weißbrot 1 kg – DM -,90 – (31.12.56)
Semmel 1kg – DM 1,- – (31.12.56)
Buttermilchbrot 1 kg – DM 1,20 – (31.12.56)
Schrotbrot 1kg – DM -,90 – (31.12.56)
Brötchen – DM -,06 – (31.12.56)
Ami – DM 0,10 – (31.12.56)
Krapfen – DM -,20 – (31.12.56)
Fleurons – DM -,05 – (12.12.56)
Schillerlocken – DM -,15 – (15.11.56)
Stollen – DM 3,20 – (15.12.56)
Torte – DM 8,- – (12.12.56)
Schokoladentorte – DM 10,- – (12.12.56)
Ananastorte mit Marzipan – DM 11,- – (12.12.56)
Moccatorte – DM 9,- – (12.12.56)
Buttercremetorte – DM 11,- – (12.12.56)
Streuselkuchen – DM 9,- – (1.9.56)
Butterkuchen mit guter Butter belegt und Rahm gestrichen – DM 8,- – (1.9.56)
Schmandkuchen mit Rahm – DM 12,- – (1.9.56)
Boden – DM -,10 – (15.12.56)
Tortenboden – DM 3,50 – (25.11.56)
Mürbeboden – DM -,95 – (15.12.56)
Hefe 1 kg – DM 1,60 – (31.12.56)
Paniermehl 1 kg – DM 1,60 – (15.11.56)
Weizenmehl 1 kg – DM -,68 – (2.11.56)
Weizen E55 1 kg – DM -,446 – (6.1.56)
Weizen Frankreich 1 kg – DM -,436 -(8.8.56)
Roggen USA 1 kg – DM -,394 – (17.8.56)
Cocosraspeln 1 kg  – DM 2,- – (12.12.56)
Tortenabziehbild – DM -,70 – (14.2.56)
Milch 1 L – DM 0,41 – (12.12.56)

Alkoholitäten
1 Fl Bier – DM -,60 – (31.12.56)
1 Fl Likör – DM 7,60 – (8.6.56)
1 Fl Scharlachbrand – DM 14,50 – (8.6.56)
1 Fl Apricot Brandy – DM 7,30 – (30.8.56)
1 Fl Jägermeister – DM 10,15 – (30.8.56)
1 FL Asbach Uralt – DM 12,50 – (24.2.56)

Benzin etc.
1 L BV-Aral – DM 0,77 – (7.5.56)
1 L Aralin – DM -,65 – (14.11.56)
1 L Shell mit ICA – DM -, 65 – (27.10.56)
1 L Esso-Treibstoff – DM -,65 – (4.6.56)

Ich empfehle zudem einen Blick auf Seite 217 des statistischen Jahrbuchs 1956 der Freien und Hansestadt Hamburg.

Post- und Reisegebühren 1955 – 3

Personentarife der Bundesbahn, Stand: 1. Mai 1955

Regelfahrpreise
je km 3. Klasse = 6,9 Pf., berechnet nach der mittleren Entfernung der in Zonen verschiedener Breiten zusammengefaßten Tarifentfernungen.
Preise 2. Klasse das 1½fache
Preise 1. Klasse das Doppelte der Preise 3. Klasse

Rückfahrkarten
je nach Entfernung 10 bis 35 % Ermäßigung. Gültigkeit bis 93 km 4 Tage, über 93 km zur Hinfahrt 4 Tage, zur Rückfahrt zwei Monate, Lösungstag eingerechnet.

Zuschläge für schnellfahrende Züge
in allen Wagenklassen und auf allen Entfernungen für Schnellzüge (D, LS und DT) DM 2,-,
für Fernschnellzüge (F und FT) DM 4,- zum Schnellzugzuschlag.

Schlafwagen der DSG  . . . bis 500 km / bis 700 km / über 700 km
Schlafwagen 1. Klasse  . . . DM 26,- / 29,- / 32,-
Einbettwagen 2. Klasse  . . . DM 17,- / 19,- / 21,-
Schlafwagen 2. Klasse  . . . DM 16,- / 17,- / 18,-
Schlafwagen 3. Klasse  . . . DM 10,- / 11,- / 11,-
Dazu Vormerkgebüren
1. Klasse  . . . DM 3,-
2. Klasse  . . . DM 2,-
3. Klasse  . . . DM 1,-

 

Fahrpreisermäßigungen

Kinder unter 4 Jahren frei,
von 4 bis 10 Jahren halber Fahrpreis.

Netz- und Bezirkskarten
Jahresnetzkarten für die ganze Bundeshan (beliebige Klasse)   . . . DM 3000,-
.
einen Monat gültige Netzkarten  . . . 3. Klasse / 2. Klasse
für die ganze Bundesbahn  . . . DM 260,- / 340,-
für ein Netz  . . . DM 160,- / 211,-
Anschlußnetzkarten  . . . DM 53,- / 70,-
Bezirkskarten  . . . DM 73,- / 96,-
Anschlußbezirkskarten  . . . DM 28,- / 36,-
Bezirkswochenkarten  . . . DM 30,- / 39,-
.
Sicherheitsgebühr
für Netzkarten  . . . DM 10,-
für Bezirkskarten  . . . DM 5,-
Für Jahresnetzkarten für die ganze Bundesbahn, Anschlußkarten und Bezirkswochenkarten keine Sicherheitsgebühr.
.
Rabatt für Dauerbezieher
Bei benutzung von 10 Netz- oder Bezirksarten innerhalb eines Jahres wrden die entsprechenden Karten für die unmittelbar anschließenden 2 Monate kostenfrei ausgegeben.

Sonntagsrükfahrkarten
in besonderen Verbindungen, gültig ab Samstagnachmittag, zur Rückfahrt bis Montag 24 Uhr  . . . 33⅓ % Ermäßigung

Jugendpflege- und Schulfahrten
ab 5 Jugendlichen (unter 21 Jahren) mit 1 Leiter oder 5 Schler und 1 Lehrer  . . .  50 % Ermäßigung

Gesellschaftsfahrten
ab 12 erwachsenen Personen  . . . 33⅓ % Ermäßigung
ab 25 erwachsenen Personen  . . . 50 % Ermäßigung

Sonderzüge
je nach Teilnehmerzahl  . . . 50 % und mehr Ermäßigung

Fahrradkarten (auch für Faltboote, Skier und Kinderwagen)
bis 30 km  . . . DM -,45
bis 100 km  . . . DM -,60
bis 150 km  . . . DM -,90
bis 250 km  . . . DM 1,40
bis 450 km  . . . DM 2,-
über 450 km  . . . DM 2,70
Zweisitzige Fahrräder, Fahrräder mit Hilfsmotor und Faltboote über 50 kg doppelte Gebühr.

Handgepäcksaufbewahrung
Für 1 Stück und 2 Tage DM -,30, für jeden folgenden Tag DM -,30; für jedes weitere Stück die Hälfte dieser Sätze.
Für Reisegepäck und Expreßgut niedrige Fracht.
Um ⅓ ermäßigter Gepäcktarif für Warenproben, Muster, Berufsgepäck vor Artisten, Tänzern, Musikern, ferner für Kinderwagen, Trag- und Fahrstühle von Kranken.
Halbe Expreßgutfracht für Beeren, Obst, Gemüse, Speisepilze, sämtlich frisch und einheimischen Ursprungs.
Bei Expreßgut Frachtüberweisung und Nachnahmen zulässig.

(Expreßgut-Frachtsätze folgen!)

 

Bahnbusverkehr

Regelfahrpreis DM -,06 je km

Ermäßigungen
Kinder von 4 bis 10 Jahren 50 %,
in besonderen Verbindungen für Rückfahrscheine und Zehnerkarten 20 %,
für Sonntagsrückfahrscheine 25 %.
Für Miet- und Ausflugswagenfahrten Sonderpreise.

Reisegepäckfracht (mit Fahrausweis)
bis 50 km und bis 20 kg  . . . DM -,35
bis 50 kg  . . . DM -,60
über 50 je 20 kg  . . . 10 % des Regelfahrpreises

Schnellgut auch ohne Fahrausweis
Höchstgewicht 10 kg je Stück, Stückfrachtberechnung nach Prozentwerden (20 bis 45,5 %) des Regelfahrpreises.

Post- und Reisegebühren 1955 – 2

Postgebühren (Ausland), Stand: 1. Juni 1955

Postkarten  . . . DM -20

Briefe bis 20 g  . . . DM -,40
jede weiteren 20 g mehr  . . . DM -,20

Drucksachen je 50 g  . . . DM -,10

Geschäftspapiere je 50 g  . . . DM -,10
mindestens  . . . DM -,40

Warenproben je 50 g  . . . DM -,10
mindestens  . . . DM -,20

Päckchen (nur nach bestimmten Ländern)
bis 1 kg für je 50 g  . . . DM -,20
mindestens jedoch  . . . DM -,80

Einschreiben  . . . DM  -,50

Eilzustellung
Briefsendungen  . . . DM -,60
Pakete  . . . DM 1,10

Luftpostsendungen
nach europäischen Ländern für Postkarten und Briefe Zuschlag für je 20 g  . . . DM -,15
für Drucksachen bis 3 kg, Geschäftspapiere, Mischsendungen bis 2 kg und Warenproben bis 500 g Zuschlag für je 50 g  . . . DM -,15
.
nach außereuropäischen Ländern sind die Zuschlaggebühren verschieden. Auskunft am Postschalter.

Luftpost-Leichtbriefe (Aerogramme)  . . . DM -,60

Verzollungspostgebühren
für Briefsendungen  . . . DM -,50
für Paketsendungen  . . . DM 1,-